Nur wenige Stunden nachdem heute der aktuelle Koalitionsvertrag nach langwierigen Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien vorgelegt wurde, brachte der NAV-Virchow-Bund als Interessenvertretung der niedergelassenen Ärzte in Deutschland seine massive Kritik an den Vereinbarungen zum Gesundheitswesen mit deutlichen Worten zum Ausdruck.

Für den NAV-Bundesvorsitzenden, Dr. Dirk Heinrich, atmen diese „Vereinbarungen den Geist des Misstrauens und der Regulierungswut.“ O-Ton seiner Stellungnahme: „Mit einer Vielzahl von Detailregelungen und der Schaffung neuer Institutionen und Gremien sichert sich die Politik den Zugriff auf das Gesundheitswesen und baut ihren Einfluss zulasten der bestehenden Selbstverwaltung aus. Die eigentlichen strukturellen Probleme, die durch die anhaltende Budgetierung verursacht werden, gehen die Koalitionäre erst gar nicht an.“

So werde eine Erhöhung der Mindestsprechstundenzeit um 25 Prozent vereinbart, ohne eine Aussage zur Gegenfinanzierung zu machen. Ein interessantes Vorhaben innerhalb eines budgetierten Systems. Heinrich wurde noch deutlicher: „Sofern alle weiteren geplanten Instrumente umgesetzt werden, ist dieser Koalitionsvertrag der Totenschein für die Selbstverwaltung und die ärztliche Freiberuflichkeit. Er wies auf folgende Punkte als Indizien dafür hin:

• Die ärztliche Honorierung werde mit dem Ziel, sie zu vereinheitlichen, in eine wissenschaftliche Kommission verlagert. Eine neue GOÄ, Grundlage des Freien Berufes Arzt, solle Verhandlungsmasse in dieser Kommission für Arzthonorare werden. Die in weiten Teilen bereits fertiggestellte neue GOÄ rücke damit in weite Ferne.
• Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Regierungsfraktionen solle die sektorenübergreifende Versorgung für die Bereiche Bedarfsplanung, Zulassung, Honorierung, Kodierung, Dokumentation, Kooperation der Gesundheitsberufe und Qualitätssicherung weiterentwickeln.
• Terminservicestellen würden in Verbindung mit einer zusätzlichen „koordinierenden Leistung“ in der hausärztlichen Versorgung das Terminmanagement für möglichst alle haus- und fachärztlichen Überweisungen übernehmen.
• In den Zulassungsausschüssen sollen die Länder beteiligt werden durch Mitberatungs- und Antragsrecht.
• Anstatt die bestehende und überalterte Bedarfsplanung abzuschaffen, solle sie „kleinräumiger“ werden.
• Der Sicherstellungsauftrag der KVen werde durch eine gemeinsame Sicherstellung der Notfallversorgung von Landeskrankenhausgesellschaften und Kassenärztlichen Vereinigungen in gemeinsamer Finanzierungsverantwortung ausgehöhlt.

Fazit des NAV: „Freiheitsgrade, die unser weltbestes Gesundheitssystem bislang ausmachten, werden abgeschafft. Elemente des Wettbewerbs und des schnellen Zugangs zu Innovationen hingegen werden überhaupt nicht adressiert. Gegenüber all diesen negativen Regelungen treten sinnvolle Verbesserungen wie eine stärkere Förderung der ambulanten Versorgung in ländlichen und strukturell schwachen Regionen in den Hintergrund.“
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